
Ich halte den schweren Osterhasen in meinen Händen – ein kunstvolles Einzelstück. Hübsch ist er anzusehen, doch unsere gemeinsame Zeit währt jährlich nur ein paar Wochen. Während dieser schmückt er unseren Eingang. Rituale wie dieses verankern mir den Rhythmus, den das Jahr und seine Zeit mitbringt und schenken mir persönliche Ausrichtung, meinen Tagen mehr Tiefe zu geben und sie als Zeitqualität in den Alltag zu integrieren.
Als christliches Fest begleitet mich die Osterzeit mit ihren Inhalten schon seit meiner Kindheit. Viele Geschichten und Bilder wurden uns in der Klosterschule, die ich besuchte, gereicht. Allesamt sind sie geprägt von der Leidensgeschichte Jesu bis hin zu seinem Tod. Bilder, die mir in meinen jungen Jahren nicht viel gesagt haben. Ferien und Schokoladeneier haben mir damals mehr bedeutet. Doch mit den Jahren meines wachsenden spirituellen Bewusstseins veränderte sich mein Wahrnehmen der Geschichten. Ich begann die Bilder anders zu sehen und zu verstehen und mir erschloss sich auf diese Weise auch die Verbindung hin zu anderen Zeiten und Kulturen.
Im Licht der Ostersonne bekommen die Geheimnisse der Erde ein anderes Licht...
Zunächst richtet sich die Frage an die Herkunft des Namens. Ostara, die germanische Frühlingsgöttin, scheint die Namensgeberin zu sein. Im Angelsächsischen hieß selbige Göttin „Eostrea“, im Lateinischen „Aurora“. Gemeinsam ist ihnen auch, dass ihnen zu Ehren in alten Zeiten jedes Jahr ein Frühlingsfest gefeiert wurde. Aurora, galt auch als Morgengöttin. Für ihr Morgenrot kennt man im althochdeutschen das Wort „Ostarun“. Womit sich die Fährte der Bedeutung hin zu „Ostern“ kreiert. Welch’ schöne Erinnerung an unsere alte Kultur, jenseits der Kirche, die wir heute kennen. Es war nicht unüblich dass die christliche Kirche „heidnische“ Feste in ihre Kultur übernommen hat, um sie „verschwinden“ zu lassen bzw. die Akzeptanz für ihre Glaubensfestes dadurch von den Menschen leichter zu erhalten war.
Ostern gilt als das Fest der Auferstehung. Die Tage zuvor werden uns als jene des Leidens und der Dunkelheit beschrieben. Dieses Bildnis kann durchaus wertvolle Metapher für Erkenntnis hin zum eigenen Leben sein, wenn man der Einladung des Innehaltens und Reflektierens folgen möchte, um seinem Leben (noch) bewussteres Sein zu schenken und sich fragt:
- Welches ist denn in meinem Leben der Bereich, der sich im Moment „dunkel“ zeigt?
- Wo braucht es das Licht und das Leben?
- Was will in mir auferstehen?
- Was von mir und meinem Leben umfasst es, das scheinbar noch in der Dunkelheit weilt, und mir noch nicht zugänglich ist?
Wir kennen das Bild, das zeigt, wie Jesus am Palmsonntag in Jerusalem einzieht. Die Menschen haben ihm
Palmzweige gestreut, weil sie in ihm einen siegreichen König sahen. Palmen wurden damals vielerorts als heilige
Bäume verehrt und galten als Sinnbild des Sieges und Unabhängigkeit. Doch auch lange bevor Ostern ein christliches Fest zur Auferstehung Jesu geworden ist, haben die Menschen den Einzug des Frühlings gefeiert.
Tage, die mit ihrem Licht, ihrer Wärme und dem beginnenden Wachsen und Werden allerorts auch ein „Sieg“ über die Dunkelheit symbolisieren und mit der erhofften reichen Ernte waren die Menschen unabhängig, frei hin zum Leben. Diese Sichtweise erinnert mich selbst oft an meine eigenen Themen des Lebens und der Entwicklung und so frage ich mich gerade in diesen Zeiten besonders:
- Wo sehne ich mich nach Freiheit?
- Was will sich in mir entwickeln und wachsen?
- Wo ruft mein Sieg über innere Dunkelheit und Abhängigkeit in dem Sinn, als dass ich meine innere Selbstbestimmung (wieder) wähle?
Auch heute kennen wir noch das Brauchtum der Palmweihe, und Palmbuschen zieren allerorts das Zuhause der Menschen. Als heidnischer Osterbrauch sollen die Zweige Haus und Grundstück vor Gefahr schützen und
die Felder fruchtbar machen. Ich mag das Ritual des Palmbuschens. Wenn ich im Frühling meine Augen offen
halte, wo ein solcher wächst, ist dieses Offenhalten auch ein wacher Blick hin zum Leben.
- Wo zeigt sich neues Wachstum?
-
Welches sind die Boten des Frühlings auch in meinem Leben?
So ist mir der Palmbuschen auch Hüter „meiner guten Sichtweise hin zum Leben“.
Die Bedeutung von Ostern ist eng mit dem Christentum verknüpft, wenngleich viele Oster-Rituale auch auf heidnische Ursprünge zurückgehen.
In der christlichen Kirche gilt der Gründonnerstag als der erste der heiligen Tage, neben dem Tag an welchem Jesus am Kreuz starb (Karfreitag) und jenem der Wiederauferstehung (Ostern). Der Überlieferung zu folge nahm Jesus mit seinen Jüngern am Vorabend seiner Kreuzigung das letzte Abendmahl ein. Wenn ich die Symbolik des Tages betrachte, ist es jene, dass der Donnerstag astrologisch dem Planeten Jupiter zugeordnet wird. Jupiter symbolisiert die Suche des Menschen nach Einsicht und Erkenntnis.
Als Zeitqualität offenbart sich für diese Tage als besondere Energie jene der eigenen Erkenntnis, des Sehens und Wahrnehmens in die Tiefe hin zur eigenen Bestimmung. So wie uns das Bildnis Jesus und seine Bestimmung gereicht wird, dass er dem Auftrag seines Vaters gefolgt ist, erreicht mich die Erinnerung, dass es auch für mich einen größeren Plan gibt – eine göttliche Bestimmung. Diesem zu folgen ist stets ein Akt der Hingabe, des Vertrauens und der bedingungslosen Liebe auch für mich und mein Leben. Das zeigt mir das Bild des Karfreitags. Anstrengung, Mühe und Leiden säumt den Weg des Lebens durchaus manchmal auch.
Und dennoch, „ICH“ darf sterben – das ist auch Bestimmung, dahingehend all was ich stets zu kontrollieren versuche, wo mir mein Ego durchaus oft im Wege steht. Bedingungsloses, erwartungsfreies Sein und Tun – dies lehrt mich die Geschichte von Jesus und damit, was es bedeutet dem Ruf zu folgen, sich seiner Berufung hinzugeben, auch wenn es anstrengend ist oder man ausgegrenzt wird. So will ich mich erinnern:
- Welches ist der höhere Auftrag, der mir gilt?
- Welches ist der RUF, in dem meine BeRUFung geborgen ist?
- Wann bin ich versucht, dass mein Ego das Ruder übernehmen will?
Die Sichtweise des YIN hin zu Ostern
Auch die Betrachtungsweise meiner Passion für das YIN und die weibliche erwachende Kraft schenkt der Osterwoche durchaus Symbolik. Die ersten Tage der Geschichten der Osterwoche können eher dem aktiven Geschehen zugeordnet werden (Yang) – in der zweiten Osterwoche erleben wir Jesus eher im passiven Part (Yin).
So zeichnet uns diese Zeit auch ein Bild von Yin & Yang – und vollendet ein Bildnis des Kreises, der als Sinnbild für Heilung gilt. Auch die Rolle der trauernden Frauen unter dem Kreuz erinnert an das YIN. Die Frauen waren Jesus um seinetwillen gefolgt, in Hingabe (Yin) und bedingungsloser Liebe (Yin). Ich erkenne darin das Zeichen, dass ein Zeitalter der Frau sich damals schon eröffnet: mit der Auferstehung folgt ein Zeitalter des Herzens, des Mitfühlens, des Friedens.
Waren es damals die Frauen die „die Botschaft der Auferstehung“ brachten, liegt es auch heute im Weiblichen, im Yin die Energien nach „oben“ zu bringen, ans Licht und damit hin zur Heilung, der Auferstehung.
Auch dies eine segensreiche Darstellung, eingebettet in das Bildnis von Ostern. In meiner Betrachtungsweise des Lebens und der Geschichten, ist mir das „Wissen“ oder die korrekte Historie viel weniger wichtig, als vielmehr das „innere Bild“ das sich hin zu meinem Leben intuitiv kreiert und mit ihren Botschaften meine Wahrnehmung für mein Leben bereichert. Als inneres Bild von Ostern fühle ich für mich, dass die Zeitqualität dieser Tage die Erkenntnis um die „eigene Auferstehung“ schenkt, und damit um all jenes was in uns (noch) ruht, und zum Leben (wieder) erweckt werden will. Auf Seelenebene haben wir alle viel mehr als Möglichkeiten in uns angelegt, als die meisten von uns heute leben.
Dies mit dem Zweck des Prozesses, es im Laufe des Lebens erwachen zu lassen, zu entwickeln, um es zu lebendig werden zu lassen und zu leben – in vielfacher Größe als wahres gelebtes Potential dessen, was wir im Moment „nur“ in uns tragen und noch nicht leben. Und so betrachtet ist mir die Osterzeit wahrlich ein sehr
heilige Zeit geworden.
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Daniela Hutter
schreibt, bloggt und hält Seminare zum Thema bewusste Lebensführung. Es ist ihre Passion, alte Tradition mit zeitgemässer Spiritualität zu verbinden. Mit Menschen zu sein bereitet ihr Freude und deshalb bietet sie auch persönliche Coachings an.
Als Autorin schreibt Daniela Hutter für verschiedene Zeitschriften. Aktuell arbeitet sie an ihrem nächsten Buch. Bereits erschienen sind die Bücher „Lass deine Träume wahr werden“ (2013) und „Den Tag mit Engeln beginnen“ (2008), „Mach dein Leben hell“ (2015), "Das Yin-Prinzip" (August 2016) sowie das Kartenset „Energien der neuen Zeit“ (2013) und "Karten der Weiblichkeit" (2017).
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Impulsgeberin für moderne Frauen
Daniela Hutter weiß was Frauen beschäftigt und kennt die zahlreichen Herausforderungen und Hürden, die das Leben lehrt und der Alltag bietet. Fernab von Dogmen und klassischem Feminismus ermutigt sie in ihrer Arbeit vor allem Frauen in Kontakt mit ihrem wahren FrauSein zu kommen und mutig den eigenen Weg zu gehen. Sie weist den Weg in das Innere und erinnert zugleich daran, mit beiden Beinen auf der Erde zu stehen.
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Michaela (Donnerstag, 06 April 2023 21:52)
Vielen Dank für die tollen Beiträge zu diesen heiligen 3 Tagen �. Liebe Grüße Michaela
Ludwiga v (Donnerstag, 06 April 2023 23:07)
Vielen Dank für die Botschaft zu Ostern, ich habe mich gefreut! Alles Liebe Ludwiga.
Sabine (Sonntag, 09 April 2023 05:08)
Deine Beleuchtung der Zusammenhänge und Dein Herstellen von Verbindungen ist wahrlich inspirierend. Danke � In diesem Sinne: FROHE OSTERN �
Sabine (Montag, 10 April 2023 00:52)
Liebe Daniela, HerzensDank für deine inspirierenden Worte & berührenden Perspektiven auf Ostern <3<3<3