Bin ich vielleicht zu alt?“ Meine Freundin sitzt mir gegenüber. Sie hat keinen guten Tag. Ich kenne solche Tage, ich habe sie auch manchmal.
Es ist einer jener Tage, an denen man sich klein und unbedeutend fühlt.
Meine Freundin ist Autorin und Yogalehrerin, sie hat ein eigenes Studio und gibt viele Ausbildungskurse. Unsere gemeinsame Zeit genieße ich stets sehr, denn unsere Gespräche sind ehrlich und offen.
„Ich kann nichts und das, was ich mache, ist nichts wert“, formuliert Nadja. Ich könnte sie schütteln. Seit so vielen Jahren bietet sie tolle Kurse an und wird von ihren Schülerinnen dafür sehr verehrt. Doch jetzt gerade sitzt mir Nadja wie ein Häufchen Elend gegenüber. Ich weiß für sie keine Antwort, viel mehr entdecke ich in ihrem Gefühl auch mich selbst und erinnere mich an die Momente, wo mein inneres Teufelchen mir zuflüstert: „Das ist alles, was du zu bieten hast? Deine Seminarteilnehmer werden enttäuscht sein.“
„Kannst du sehen wie viele Menschen du schon berührt und inspiriert hast?“, frage ich, und irgendwie ist diese Frage an mich und an Nadja zugleich gerichtet. Sie sieht mich an und zuckt mit den Schultern. „Naja, ich könnte mir allerhand einreden. Aber seien wir doch ehrlich, viel anzubieten habe ich wirklich nicht und das was ich anbiete, das können zig andere auch.“
Während ich diesen Satz höre, bin ich mir gar nicht so sicher wer ihn spricht, Nadja oder ich zu mir selbst? Ich kenne dieses Gefühl auch und mit ihm auch das Schielen nach den anderen und damit auch das Programm des Vergleichens. Und wenn ich in diese (eigene) Falle erstmal tappe, habe ich zumeist ohnehin schon verloren. Die anderen erscheinen mir immer besser als ich.
„Hast du schon mal auf Instagram geschaut? All die Fotos von diesen Yoginis, in welcher Perfektion sie sich abbilden und die viele Likes und begeisterten Antworten, die sie bekommen? Im Gegensatz zu mir. Und das, obwohl ich schon Yoga unterrichtet habe, da haben diese jungen Frauen gerade laufen gelernt ...“
Ich glaube, ich bin zu alt für diese Yogawelt.“ Nadja macht sich weiter Luft: „Youth sells. Und das Gemeine ist: Männer haben das Problem scheinbar nicht. Sie gelten als weise, reif, erfahren. Frauen eher nicht. Das frustriert mich auch.“
Bumm. Volltreffer. Auch bei mir. Auch ich habe Tage, wo ich innerlich fassungslos bin und mich wortarm erlebe. Vor allem dann, wenn ich mich im Internet umschaue: Neue Autoren, Coaches und Seminarleiter beglücken in einer Vielfalt die Welt, wie Champignons im Sommer aus unserem Rasen sprießen. Überall neues Business. Ein Wochenendprogramm oder weniger legitimiert. Spannend ist nur, dass ich manchmal selbst trotz meiner intensiven Ausbildungen und der zweistelligen Zahl an Jahren der Erfahrung trotzdem das Gefühl habe, die anderen könnten mehr als ich. Ich überlege dann ob es eine zusätzliche Ausbildung braucht, werde aber nicht fündig, weil ich ja ohnehin schon so viele absolviert habe.
Nadja und ich sitzen uns gegenüber. Eine macht die andere sprachlos. Dann die Frage: Machen wir was falsch? „Ich weiß gar nicht was sagen“, formuliere ich schulterzuckend in unseren stillen Dialog.
„Du sprichst die falsche Sprache“, sagt Nadja. „Wie meinst du das?“ frage ich. „Englisch heißt das Zauberwort“, sagt Nadja. „Sprich und schreibe englisch, und schon ist alles, was du sagst, mehr wert.“ Und dann setzt meine Freundin noch einen drauf: „Und wenn du Model oder Schauspielerin bist, hilft das auch ...“. Der Seitenhieb ist geglückt, währenddessen fährt Nadja fort: „Weißt du, ich möchte einmal wissen, warum die Yogalehrer die sie einfliegen mehr können oder wissen sollen. Denn ihre Kurse werden gestürmt, ihre Bücher werden gehypt, um sie reißen sich die Veranstalter. Ich weiß einfach nicht, warum – sie bieten nichts an, das ich nicht auch in meinen Kursen oder Büchern formuliere.“ Der Seitenhieb sitzt erneut. Auch ich kenne diese Zweifel, Gedanken und auch die innere Anklage hinaus zur Welt.
Ein lautes Lachen holt mich zurück. Nadja prustet los. Sie lacht laut. „Das Bild ist schon skurril. Wenn die Welt wüsste, wie wir da sitzen und uns gegenseitig beunglücken und beschweren. Das geht mal gar nicht – zwei alte Hasen wie wir.“ Und schon lacht sie wieder.
Das Lachen löst die Energie. Irgendwie hat das gemeinsame Jammern uns Raum geschaffen, die Enge genommen. Wir haben zwar keine Lösung gefunden, aber uns beiden ist nun leichter. Ja, wir lachen unsere Selbstzweifel einfach weg. Nehmen die Welt einfach so, wie sie ist, und uns selbst so, wie wir halt nun einmal sind. Gemeinsam haben wir ein paar Prägungen und Glaubenssätze entdeckt haben und mit ihnen die Gemeinsamkeit, das schenkt der Situation Freiheit und uns nun wieder innere Leichtigkeit.
Wir spüren und genießen dieses Glücksgefühl von Unbeschwertheit und Freiheit, der Raum nach oben scheint unbegrenzt. Es sind Gefühle, die wir in unseren Büchern und Seminaren so gern mit anderen teilen.
Und wir – zu alt? Das ist wirklich zum Lachen.
Der Artikel erschien zunächst als Kolumne "die Brösel" im Engelmagazin.
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Daniela Hutter
schreibt, bloggt und hält Seminare zum Thema bewusste Lebensführung. Es ist ihre Passion, alte Tradition mit zeitgemässer Spiritualität zu verbinden. Mit Menschen zu sein bereitet ihr Freude und deshalb bietet sie auch persönliche Coachings an.
Als Autorin schreibt Daniela Hutter für verschiedene Zeitschriften. Aktuell arbeitet sie an ihrem nächsten Buch. Bereits erschienen sind die Bücher „Lass deine Träume wahr werden“ (2013) und „Den Tag mit Engeln beginnen“ (2008), „Mach dein Leben hell“ (2015), "Das Yin-Prinzip" (August 2016) sowie das Kartenset „Energien der neuen Zeit“ (2013) und "Karten der Weiblichkeit" (2017).
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Daniela Hutter weiß was Frauen beschäftigt und kennt die zahlreichen Herausforderungen und Hürden, die das Leben lehrt und der Alltag bietet. Fernab von Dogmen und klassischem Feminismus ermutigt sie in ihrer Arbeit vor allem Frauen in Kontakt mit ihrem wahren FrauSein zu kommen und mutig den eigenen Weg zu gehen. Sie weist den Weg in das Innere und erinnert zugleich daran, mit beiden Beinen auf der Erde zu stehen.