Alle kriegen Kinder, ich zweifle: Warum die Kinderfrage mehr als nur eine persönliche Entscheidung ist

Daniela Hutter im Gespräch mit Autorin Verena Kleinmann über ihr Buch "Alle kriegen Kinder, ich zweifle"

Die biologische Uhr tickt, Freundinnen werden schwanger, und die gesellschaftlichen Erwartungen sind allgegenwärtig: Als Frau über 30 ohne Kinder kennt Verena Kleinmann diesen Druck nur zu gut.

 

In ihrem neuen Buch „Alle kriegen Kinder, ich zweifle" geht die Journalistin und Autorin der Frage nach, warum es so schwerfällt, in der Kinderfrage eine eigene Position zu beziehen. Dabei entlarvt sie jahrhundertealte Mythen über Mutterschaft.

Die Kinderfrage und der Mythos vom Mutterinstinkt

„Frauen wissen instinktiv, wie sie ihre Kinder am besten versorgen", heißt es oft. Doch diese Annahme ist wissenschaftlich widerlegt. Die Neurobiologin Ruth Feldmann konnte nachweisen: Alle Menschen haben einen Beschützerinstinkt, und der ist bei Männern und Frauen gleich stark ausgeprägt. Der sogenannte Mutterinstinkt ist eine Erfindung der Aufklärung im 18. Jahrhundert. Kleinmann nennt es einen „Patriarchats-Move", um Frauen auf die unbezahlte Care-Arbeit festzulegen.

 

Diese kulturhistorische Prägung wirkt bis heute nach. Während für Väter im Duden kein „Vaterinstinkt" oder „Vaterglück" existiert, sind Begriffe wie „Rabenmutter" fest verankert. Die Sprache spiegelt wider, wie stark Frauen immer noch auf die Mutterrolle festgelegt werden.

Wie die Kinderfrage durch das Umfeld beeinflusst wird

Besonders deutlich wird der gesellschaftliche Druck, wenn das eigene Umfeld Kinder bekommt. Verena Kleinmann beschreibt eindrücklich, wie sie in den umgestalteten Wohnungen ihrer Freundinnen steht. Überall Spielzeug, Wickeltische, bunte Zahnbürsten. Sie fragt sich: „Soll ich auf den letzten Metern nicht doch noch versuchen nachzuziehen?"

 

Diese Fear of Missing Out ist nachvollziehbar. Etwa 80 Prozent aller Frauen in Deutschland bekommen im Laufe ihres Lebens Kinder. Kinderlose werden ab einem gewissen Alter zu Außenseiterinnen. Der Psychotherapeut Wolfgang Krüger bestätigt: Es erfordert eine große Kraftanstrengung, gegen den Strom zu schwimmen.

Die Kinderfrage: Strukturelle Herausforderungen der Mutterschaft

Dabei übersehen viele die strukturellen Herausforderungen, die mit Mutterschaft einhergehen. Die Zahlen sprechen eine deutliche Sprache: Eine 30-jährige Mutter verdient durchschnittlich 70 bis 80 Prozent weniger als der Vater. Frauen leisten 44,3 Prozent mehr unbezahlte Care-Arbeit als Männer. Das sind neun Stunden mehr pro Woche.

 

Die Mutter von Verena Kleinmann war ein warnendes Beispiel: Vollzeitjob, Nebenjob, Hausfrau, Kinderbetreuung, Landwirtschaft. Mit 40 brach sie unter der Mehrfachbelastung zusammen.

 

„Wenn ich ein Kind bekommen würde, wäre ich Vater geworden, Mutter weiß ich nicht", bringt die Autorin das Dilemma auf den Punkt.

Kinderfrage und Bereuen: Das Tabu der Regretting Motherhood

Während kinderlose Frauen oft zu hören bekommen „Das wirst du noch bereuen", ist das Bereuen der Mutterschaft ein Tabu.

 

Dabei zeigen Studien: Etwa 20 Prozent aller Eltern bereuen ihre Mutter- oder Vaterschaft. Die israelische Soziologin Orna Donath prägte den Begriff „Regretting Motherhood" für Frauen, die ihre Kinder lieben, aber das Muttersein bereuen.

 

Das Problem: Die gesellschaftliche Verklärung der Mutterschaft lässt keinen Raum für ambivalente Gefühle. Mütter sollen das Chaos des Alltags „easy unter einen Hut bekommen", wie es Daily Soaps der 90er Jahre suggerierten. Die Realität sieht anders aus.

Die Kinderfrage verneinen: Mythen über Kinderlosigkeit

Verena Kleinmann räumt mit weiteren Mythen auf: Kinderlose sind im Alter weder einsamer noch hilfloser als Menschen mit Kindern. Sie bauen andere, oft umfangreichere soziale Netzwerke auf.

 

Auch der Sinn des Lebens erschließt sich nicht automatisch durch Fortpflanzung. Menschen finden Erfüllung in den unterschiedlichsten Bereichen. Von Freundschaften über berufliche Projekte bis hin zu ehrenamtlichem Engagement.

Neue Antworten auf die Kinderfrage: Alternative Familienmodelle

Das Buch zeigt auch: Die heteronormative Kleinfamilie ist nicht das einzige Modell.

 

Solo-Mutterschaft, Co-Parenting oder polyamore Beziehungen bieten Alternativen für Menschen, die nicht in traditionelle Strukturen passen.

 

Die Plattform familyship.org verzeichnet 4.000 Männer und 8.000 Frauen, die nach alternativen Familienformen suchen.

Die Kinderfrage selbstbestimmt beantworten

Verena Kleinmanns zentrales Anliegen ist es, Frauen zu ermutigen, ihre eigenen Wege zu finden. Sie plädiert für „Gestaltungsmacht". Das bedeutet: die bewusste Entscheidung für ein Lebensmodell, das zu den eigenen Bedürfnissen passt, unabhängig von gesellschaftlichen Normen.

 

Dabei geht es nicht darum, Mutterschaft zu verteufeln oder zu verherrlichen. Vielmehr sollen alle Lebensentwürfe als gleichwertig anerkannt werden. Denn wie die Autorin nach ihrer intensiven Recherche feststellt: „Ein Leben ohne Kind ist nicht besser oder schlechter als ein Leben mit. Es hält genauso schöne wie herausfordernde Phasen bereit."

 

Das Buch ist eine wichtige Stimme in einer Debatte, die alle Frauen betrifft, ob mit oder ohne Kinderwunsch. Es ermutigt dazu, ehrlich über die eigenen Wünsche nachzudenken und sich nicht von gesellschaftlichen Erwartungen leiten zu lassen. Denn am Ende zählt nur eines: ein authentisches Leben zu führen, das zu einem selbst passt.


Für wen ist das Buch "Alle kriegen Kinder, ich zweifle" ein wichtiges Buch?

Alle kriegen Kinder, ich zweifle" ist ein wichtiges Buch für Frauen mit ambivalenten Gefühlen zur Mutterschaft, die zwischen gesellschaftlichen Erwartungen und eigenen Wünschen schwanken. Ebenso wertvoll ist es für kinderlose Frauen, die unter gesellschaftlichem Druck stehen, und Mütter, die ihre Entscheidung hinterfragen oder unter strukturellen Benachteiligungen leiden.

 

Das Buch richtet sich auch an Paare mit unterschiedlichen Vorstellungen zur Familienplanung und alle, die sich eine ehrlichere Debatte über moderne Familienformen wünschen. Kleinmann liefert fundierte Argumente gegen gängige Vorurteile und zeigt alternative Lebenswege auf – ein wichtiger Beitrag für mehr Selbstbestimmung in einer der zentralsten Lebensentscheidungen.

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Highlights unseres Gesprächs

  • Mutterinstinkt ist ein Mythos: Der Beschützerinstinkt ist bei Männern und Frauen gleich stark ausgeprägt.
  • Strukturelle Benachteiligung: Mütter verdienen 70-80 Prozent weniger als Väter und leisten neun Stunden mehr Care-Arbeit pro Woche.
  • 20 Prozent bereuen Elternschaft: Regretting Motherhood ist ein Tabu-Thema, über das nicht gesprochen werden darf.
  • Kinderlose leben nicht schlechter: Sie sind im Alter weder einsamer noch hilfloser und bauen stabile soziale Netzwerke auf.
  • Alternative Familienmodelle: Solo-Mutterschaft, Co-Parenting und Polyamorie bieten neue Wege jenseits der Kleinfamilie.
  • Gestaltungsmacht statt Druck: Jede Frau sollte selbstbestimmt über ihr Lebensmodell entscheiden können.
  • Ambivalenz ist normal: Zweifel in der Kinderfrage zeigen, dass verschiedene Lebenswege erfüllend sein können.

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Daniela Hutter

schreibt, bloggt und hält Seminare zum Thema bewusste Lebensführung. Es ist ihre Passion, alte Tradition mit zeitgemässer Spiritualität zu verbinden. Mit Menschen zu sein bereitet ihr Freude und deshalb bietet sie auch persönliche Coachings an.

 

Als Autorin schreibt Daniela Hutter für verschiedene Zeitschriften. Aktuell arbeitet sie an ihrem nächsten Buch. Bereits erschienen sind die Bücher „Lass deine Träume wahr werden“ (2013) und „Den Tag mit Engeln beginnen“ (2008), „Mach dein Leben hell“ (2015), "Das Yin-Prinzip" (August 2016) sowie das Kartenset „Energien der neuen Zeit“ (2013) und "Karten der Weiblichkeit" (2017).

 

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Impulsgeberin für moderne Frauen

Daniela Hutter weiß was Frauen beschäftigt und kennt die zahlreichen Herausforderungen und Hürden, die das Leben lehrt und der Alltag bietet. Fernab von Dogmen und klassischem Feminismus ermutigt sie in ihrer Arbeit vor allem Frauen in Kontakt mit ihrem wahren FrauSein zu kommen und mutig den eigenen Weg zu gehen. Sie weist den Weg in das Innere und erinnert zugleich daran, mit beiden Beinen auf der Erde zu stehen.



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