Eine Tasse Tee...

Samstag früher Nachmittag.  Ich kam eben vom Einkaufen für’s Wochenende zurück, die vollen Körbe stehen noch im Vorzimmer – doch ich brauche erstmal Ruhe. Die Hektik der Geschäfte möchte ich loswerden.  Ich setz Teewasser auf und beschließe mir eine Pause zu gönnen.

 

Während ich den Tee zubereite höre ich Maschinengeräusche aus dem Garten, dort ist mein Mann wohl  mit Arbeit beschäftigt.   Ich  setze  mich mit der Teetasse an den Küchentisch, greife zu einer Zeitschrift. Und plötzlich ist sie da, als  ungebetener  Gast, eine innere Stimme die mahnt: „Also das geht doch wirklich nicht! Du sitzt da rum und tust nichts. Er arbeitet und du blätterst in der Zeitung“. Kaum gehört, ist sie weg, doch zuvor  setzt sie mir noch ein Paket vor die Nase:  Schlechtes Gewissen – und wie ferngesteuert schlag  ich die Zeitschrift zu, stell die Tasse weg und geh auf den Balkon: „Schatz, kann ich dir helfen?“  „Nein, da ist keine Arbeit für dich dabei“  tönt es aus dem Garten zurück.

 

Ich geh wieder  in die Küche, die Tasse Tee steht noch immer einladend auf dem Tisch, die Zeitschrift daneben. „Du könntest dich wenigstens um die Blumen im Haus und auf dem Balkon kümmern“, quatscht mich innerlich wer an. Ich hole  die Gießkanne und marschiere durch’s Haus. Dort ein bissl Wasser, da ein bissl Wasser. Eigentlich möchte das Grünzeug auch entstaubt werden. Die grünen Blätter haben schon bessere Zeiten gesehen. Ich tu so, als ob ich den Staub nicht gesehen hätte, ich hab keine Lust, jetzt Grünpflanzen abzustauben.  Stattdessen fühle mich wie ein kleines Mädchen, dem Freizeit und Spielen verboten  wurde und stattdessen Hausarbeit auferlegt wurde.  „Was können den die Blumen dafür!“ mahnt etwas in mir, spricht und verschwindet und lässt noch ein Paket zurück:  Schlechtes Gewissen  - schon wieder!

 

Ich streune durch’s Haus. Komme ins Schlafzimmer. Das Wochenende würde sich perfekt eignen, um die Bettwäsche zu wechseln. Ich könnte die Überzüge waschen, die Inlets in die frische Luft und die Sonne hängen, die Matratzen absaugen, währendesssen d ass die Überzüge dann trocknen, Staub wischen, den Boden reinigen und  …. uahh, in mir zieht sich alles zusammen. Wer hat diese Gedanken herein gebeten? Eigentlich bin ich grad so schön faul. Kaum dass ich diese Gelassenheit wahrnehme, ist da schon wieder wer: „Eine ordentliche Hausfrau sorgt für ein aufgeräumtes und frisches Schlafzimmer, speziell am Wochenende“.  Am liebsten würde ich den Hauspatschen nach der Stimme schießen, geht nicht – sie ist schon wieder still und weg,   nicht ohne noch ein Paket zurückzulassen:  Schlechtes Gewissen – „nicht einmal zum Wochenende gibt’s ein sauberes Schlafzimmer, du bist faul.“

„Stinkfaul!“ schon wieder. Ich flüchte ins Bad. Irgendwo würde ich doch meine Ruhe habe.  Ich trödel mich durch meine Kosmetiksachen, entdecke einen verlorengeglaubten Lippenstift und trage ihn auf um mich an seiner Farbe zu erfreuen. „Sag mal, siehst du dich überhaupt noch im Spiegel? Wenn die Sonne scheint,  dürfen da auch keine Streifen sein!“. Ich erstarre, Blick in den Spiegel – sie hat recht – Streifen und Staub. „Du trödelst dich durch den Tag und tust nichts Ordentliches“.  Das war ausreichend. Die Stimme ist still und weg,   ich steh trotzdem wie begossen im Badezimmer, mit einem neuerlichen Paket in der Hand – schlechtes Gewissen.

 

Ich sacke in mich zusammen. Es ist mitten am Nachmittag und außer den Wochenendeinkäufen, die noch immer im Vorzimmer stehen hab ich noch nicht viel geschafft. „Diese Frauen heutzutage, kriegen überhaupt nichts auf die Reihe“.  Uaaaaaa! Schon wieder ! Wo kommen denn diese subtilen Botschaften her?  Und anstatt dass ich sie rausbugsiere ertappe ich mich bei der Antwort, „Ihr habt ja recht. Ich krieg’s grad gar nicht auf die Reihe“ und ich fühle mich klein, unfähig und frustriert. Und in meinem Inneren marschieren bildhaft Frauen auf, die ich nicht zwar nicht kenne, aber sich wie auf einem imaginären Laufsteg als „Misses Perfekts“ präsentieren –eine nach der anderen. Und mir ist, als würde jede einzelne mir ein Präsent überreichen, das mich anspornen soll, besser zu werden, fleissiger zu sein, organisierter zu sein – zig Pakete von „schlechtem Gewissen“  und dem Auftrag „ich solle besser sein“.

 

Ich fühl mich aus der Bahn geworden, klein, wertlos. Ich könnt‘ heulen und beschließe meinen Mann zu suchen, um ihm was vorzujammer, ein bisschen suhlen im eigenen Leid.  Stets richtet er mich liebevoll auf, wenn ich nicht gut drauf bin. Ich geh auf den Balkon,  schau in den Garten um nach ihm zu rufen und was muss ich sehen?  Es wurde ihm eine Tasse Kaffee serviert und ein Stück Kuchen dazu. Seine Mutter wohnt bei uns im Erdgeschoss und kümmerte sich um ihren Sohn.  Ich fühl mich erbärmlich, der arme Mann! Er arbeitet und ich überseh’s tatsächlich sein Tun  mit einer Jause zu belohnen. Kaum das Bild gesehen, schwupps -  statt Kaffee und Kuchen ein Paket vor den Füßen: Richtig – schlechtes Gewissen.

 

Apropos Kuchen, erst heute meinte mein Sohn gemeint, wie schöööön es immer war, als wir noch jeden Samstag einen frischen, selbstgemachten Kuchen von der Uroma bekamen. Seit sie im Seniorenheim ist, gibt’s nur mehr Kuchen wenn ich zufällig mal Lust drauf hab‘ einen zu backen.  Und wie ich mich so an dieses Gespräch erinnere, nebelt mich was ein – schlechtes Gewissen. Jetzt aber ordentlich.  Ich könnte ja … hm, ja .. dann gäbe es wenigstens morgen zum Frühstück frischen Kuchen. Ich beschließe in die Küche zu gehen und nach den Zutaten zu schauen: ich werde jetzt Kuchen backen.

Kaum in der Küche fällt mein Blick auf die Teetasse von vorhin, es ist als ob sie zu mir sprechen würde:  „Komm setz dich erstmal.   Du selbst arbeitest die ganze Woche auf Hochtouren, wie eben die Maschinen im Garten. Du bist für die Menschen da, geduldig und stetig, wie die Sonne im Badezimmerspiegel. Mit deinem Tun und Wirken unterstützt du das Wachsen und die persönlichen Prozesse der Menschen wie die Blätter der Pflanzen für gutes Klima in eurem Haus sorgen. Und wie deine Schwiegermutter bist auch du stets für deine Familie zugegen und weißt und sorgst dafür, dass sie sich gut fühlen. Komm, setzt dich erstmal,  genieße dein Zuhause, erkenne dass du es bist, die so viel davon ausmacht und erlaube dir zu sein, einfach hier am Tisch und für dich zu sorgen, mit einer Tasse Tee und einer Zeitschrift. Schöpfe Kraft aus dem Moment und dem Nichtstun, dem scheinbaren, das nur die Pause ist zwischen dem Vielen das du stetig tust“.   Ich greife nach der Tasse, der Tee ist schon kalt, dennoch er schmeckt … und ich genieße den Moment.

Ja und die vielen Pakete von schlechtem Gewissen, dich mir grad selber um mich gehäuft habe, ja die, die dürfen sich sofort …. Zerbröseln.

 


erschienen im Engelmagazin - als Kolumne "die Brösel des Alltags"

mehr Texte, die ich für's ENGELMAGAZIN schreibe, findest du hier

 

 

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