Bleib dir selbst treu und tanze mit dir. Ein einfacher Satz, ihn zu schreiben. Ebenso, ihn zu lesen.
Noch einfacher, ihm zuzustimmen – doch es auch zu leben? Tief hinein in seine Essenz, scheint das eine große Herausforderung zu sein. Immerwieder. Oftmals unerfüllbar, meint man. So liegt es weniger am Commitment hin zu sich selbst, als eben an jenem – nämlich dem Selbst. Wissen wir denn wirklich wer wir sind? Ist es nicht ein ständiger Tanz mit alledem, was wir meinen, dass wir sind? Und ist es nicht genau das, was es uns im Alltag scheinbar so schwer macht, als dass wir das Gefühl haben nicht (immer) uns selbst treu zu sein? Es waren und sind die Melodien des Lebens, die uns stets so zutanzten, dass wir uns ein Bild davon kreierten, wovon wir lediglich meinen, dass es das ist, was unser Selbst ist, inklusive all der Wünsche und Bestimmungen die dieses Selbst von uns für das Leben zu tragen hat.
Erste Tanzschritte wagten wir auf dem Parkett der Kindheit. Unsere einzige Ausrichtung war wohl immer wieder jene, geliebt zu werden – in allererster Linie von unseren Eltern und von unserer Familie. In deren Reaktion haben wir bald gelernt, was entspricht und was eben nicht. Die Belohnung von Aufmerksamkeit, Zuwendung und Zustimmung haben in uns eine innere Matrix kreiert, anhand welcher wir abgleichen, ob das Ergebnis sich gut anfühlt oder nicht. Maximal mögliche Zustimmung scheint das angemessene Bild von sich und des Selbst zu bestätigen.
Auch die Zeit der Schule und Ausbildung wirkte in diesem Sinne. Adäquate Leistung und entsprechendes Verhalten erhielt stets die Anerkennung und Zustimmung, und aus dieser wohlwollenden Reaktion hin zu uns entwickelten wir eine Meinung davon, wie es für uns selbst scheinbar gut und wichtig ist, sich zu verhalten und die maßgeblichen Entscheidungen dahingehend zu fällen. So sind wir alle zumeist damit groß geworden, dass wir gelernt haben, uns selbst für das eigene (Er-)Leben an Vorgaben oder Erwartungen anderer zu orientieren.
Es sind unzählige äußere Bilder, die wir in den Archiven unseres Unterbewusstseins dafür angesammelt haben.
Sich gut und geliebt zu fühlen scheint zu einem Kompass geworden zu sein, von dem wir uns gerne führen
und leiten lassen. Dazu erscheinen auf dem Tanzparkett des Lebens entsprechende Verbündete als Begleiter:
Medien, Gesellschaft und Konsumwelt. Tagtäglich erreichen uns Bilder, wie denn ein glückliches Leben aussieht,
was es bräuchte, dass wir (noch mehr) geliebt werden, wie wir uns ein Leben voller Liebe, Erfolg, Freude, Glück
kreieren könnten.
Und schon hat uns der Tanz der Konsumwelt. Wir öffnen uns dem Angebot, denn scheinbar braucht es nur, dass wir dieses oder jenes kaufen, dieses oder jenes Buch lesen, Seminar besuchen, hierhin oder dorthin reisen, um glücklich(er) zu sein. An dieser Stelle wird der Tanz ungestüm. Es zeigt sich: wir tanzen mit dem Leben und dabei erscheint oftmals an unserer Seite ein guter Tänzer – unser Ego. Es will uns führen. Es will wirken und das Rad des Pfaus schlagen. Es will gesehen werden und Anerkennung erhalten. Es will geliebt werden. Und damit wirkt es nur auf einer anderen Ebene und viel subtiler, als jenes Programm, das all die unbewussten Steuerungsmechanismen lenkt, hin zu unserem Verhalten und unseren Entscheidungen bezüglich dessen, dass wir alles tun, um unseren verminderten Selbstwert aufzuwerten.
Doch irgendwann kommt der Moment, wo wir verspüren, es bleibt eine innere Leere. Ein innerer Hunger zeigt
sich. Und zwar dahingehend, dass wir stets allen anderen folgen, doch wohl nicht uns selbst. Alle äußeren Bilder von uns scheinen sich zu erfüllen, nur selbst fühlen wir uns innerlich verraten, indem wir ein Bild zeigten, welches wir eigentlich nicht sind. Eigentlich – im wahrsten Sinne des Wortes, wir sind nicht das Eigene. Dies indem wir ein fremdes Selbstbild als das eigene akzeptieren, dafür immer und immer wieder in Rollen schlüpften, die uns gar nicht entsprachen.
Und damit offenbart sich die große Frage – wer ist unser Selbst?
Wie tickt es? Und allem voran, was gilt es nun zu tun? Wie kann man unterscheiden, wann man die eigene innere Wahrheit nährt und wann wir unserem Ego folgen? Im Wesentlichen ist es gar nicht so schwierig. Ein Ansatz gilt dem Tanzparkett, und dort lässt sich leicht erkennen, tanze ich für die Musik? Bewege ich sie in mir,
spüre ich sie bis auf die Knochen und lasse mich als Ganzes von ihrem Rhythmus einnehmen? Oder tanze
ich für die Tanzpartner, für die Zuschauer, für das „schöne Bild“, wählen wir antrainierte Schritte und Abfolgen?
Immer dann, wenn unser Wirken dem Außen und unserem Umfeld gewidmet ist, sind wir nahe dran, dass wir
ein Bild erfüllen wollen oder nach Anerkennung dursten und unser Verhalten und unsere Entscheidungen dementsprechend anpassen.
Fühlen wir aber in unserem Inneren die Musik des Lebens, ist es das Leben selbst das uns bewegt und von dem wir uns führen lassen, dann gilt der Tanz uns selbst, dann tanzen wir hin zu uns. An dieser Stelle zeigen sich zumeist neue Tanzpartner, und darin, wie sie es vermögen zu tanzen, können wir auch erkennen, ob sie mit
uns hin zu uns selbst tanzen oder ob der Tanz einem äußeren Bild gilt. Alle Aspekte von Unsicherheit und Angst
sind zumeist uns selbst gewidmet. Denn hier finden wir uns, wenn es gilt „JA“ zu uns selbst zu sagen, der eigenen Aufforderung des Tanzes zu folgen. Unsicherheit und Angst zeigen sich dann, wenn wir um die Zustimmung der anderen fürchten. Wenn wir meinen, eine falsche Entscheidung könnte uns von jenen trennen, die uns ihre Liebe und Aufmerksamkeit alltäglich schenken. In die andere Richtung bewegt sich der andere Tanz der Emotionen: Frust, Wut, Traurigkeit, unterdrückte Gefühle und dergleichen. Jene Palette zeigt sich uns immer
dann, wenn wir Wege wählen, die von uns selbst weg führen, wenn wir uns damit selbst untreu werden. Wir
entfernen uns zumeist dann von unserem Selbst, wenn wir uns in einem Ungleichgewicht des Seins und Tuns
hin zu unserem Umfeld bewegen. Hin zu den Lebensfeldern der Beziehung, Familie und Arbeitswelt – auch
immer dann, wenn unsere Aufmerksamkeit mehr den anderen gilt als uns selbst.
So gilt es, das Selbst zu ergründen und wieder die eigene Tiefe zu wählen. Dies können wir tun, indem wir
achtsam mit uns selbst sind und beobachten, wann wir automatischen Handlungsmustern folgen, und wann
unbewusste Mechanismen uns in unseren alltäglichen Verhaltensmustern steuern. Um sich selbst wieder treu
zu sein, braucht es, dass wir das Selbst wieder an unsere Seite holen, seine Stimme hören, seinen Träumen
lauschen, seine Bedürfnisse wahrnehmen, an seinen Visionen teilhaben. Und dann gilt es, den Tanz zu wählen, das Orchester zu bestimmen um dann alle dem, was unser Selbst ausmacht, zu tanzen und ihm die Melodie des Lebens zu widmen.
Dieser Text erschien zunächst als Artikel im Magazin Vita.
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Daniela Hutter
schreibt, bloggt und hält Seminare zum Thema bewusste Lebensführung. Es ist ihre Passion, alte Tradition mit zeitgemässer Spiritualität zu verbinden. Mit Menschen zu sein bereitet ihr Freude und deshalb bietet sie auch persönliche Coachings an.
Als Autorin schreibt Daniela Hutter für verschiedene Zeitschriften. Aktuell arbeitet sie an ihrem nächsten Buch. Bereits erschienen sind die Bücher „Lass deine Träume wahr werden“ (2013) und „Den Tag mit Engeln beginnen“ (2008), sowie das Kartenset „Energien der neuen Zeit“ (2013), „Mach dein Leben hell“ (2015) und "Das Yin-Prinzip" (2016)
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Impulsgeberin für moderne Frauen
Daniela Hutter weiß was Frauen beschäftigt und kennt die zahlreichen Herausforderungen und Hürden, die das Leben lehrt und der Alltag bietet. Fernab von Dogmen und klassischem Feminismus ermutigt sie in ihrer Arbeit vor allem Frauen in Kontakt mit ihrem wahren FrauSein zu kommen und mutig den eigenen Weg zu gehen. Sie weist den Weg in das Innere und erinnert zugleich daran, mit beiden Beinen auf der Erde zu stehen